Starke Stimmen Interview Nr. 19: Patrizia Laeri – CEO von elleXX
ÜBER PATRIZIA:
„Die Welt gehört den Mutigen. Wofür auch immer du brennst, erkenne es und nutze dieses Feuer als Antrieb. Das wird dich weit bringen.“ -Patrizia Laeri
UNSERE FRAGEN:
Du bist leidenschaftliche Medienmacherin, wurdest zur Wirtschaftsjournalistin des Jahres gekrönt und bist zudem eine der LinkedIn Top Voices DACH. Wie würdest du deinen Weg zu diesem Erfolg beschreiben? Was hat dich dorthin gebracht, wo du heute stehst?
Content, Content, Content. Und interessanterweise war das nicht Video-Content, sondern Text. Ich habe neben meinem Hauptjob eisern drei Jahre lang alle zwei Wochen meine #aufbruch Kolumne geschrieben, auch an Weihnachten oder in den Ferien. Ich habe über umweltschädliche, frauenfeindliche Mechanismen in der Wirtschaft und Geschäftswelt geschrieben, aber immer auch eine Lösung, einen Use Case oder ein Start-up präsentiert, das dieses Problem lösen will. Das nennt sich «Constructive Journalism». Das hat besonders auf LinkedIn eingeschlagen.
An dieser Stelle vielleicht ein Trost für alle, die noch nicht so stark wahrgenommen werden: Ich bin relativ spät in die Social Media-Welt eingestiegen, so spät, dass es für Facebook sowieso viel zu spät war. Ich war also ein Dino. Aber alle, die Erfahrung, Wissen, Kreativität oder Witz haben, können sich Reichweite aufbauen und einen Impact machen.
Du sagst über elleXX, deinem Start-up, es sei „eine Lebensaufgabe“. Für alle, die elleXX nicht kennen - Was genau macht ihr - in deinen Worten? Und was macht es für dich so besonders?
56 Prozent der Frauen in der Schweiz können sich selbst finanziell nicht über Wasser halten. Diese Zahl treibt mich jeden Morgen aus dem Bett. Diese Zahl hält Frauen klein und auf. elleXX will diese Zahl auslöschen, will, keine Frau mehr wirtschaftlich abhängig ist. elleXX ist eine Finanzplattform, die Frauen in ihrem ganzen finanziellen Leben stärkt, mit Kursen, Coachings, Hacks, Tutorials und Finanzprodukten. Es gibt im Geld-Leben einer Frau so viele Lücken zu schliessen!
Abgesehen davon finden 92 Prozent der Frauen nachhaltiges Investieren wichtig. Wenn Frauen Geld haben, legen sie es sinnvoller und nachhaltiger an. Deswegen ist es so wichtig, dass gleich viel Geld in den Händen von Frauen wie Männern ist.
Du setzt dich viel für die Gleichberechtigung in der Medien- und Arbeitswelt ein. Welche persönlichen Erfahrungen hattest du bereits mit diesem Thema? Welche Entwicklung wünschst du dir für die Zukunft und was können wir alle dazu beitragen?
Die Medienindustrie ist immer noch sehr männlich geprägt und geführt. Gerade auch im Wirtschaftsjournalismus. Ich habe zeitlebens fast nur mit Männern gearbeitet. Männer schreiben dann wiederum über Männer. Als ich das SRF Datenprojekt Chance50:50 initiiert habe, mussten wir feststellen, dass in unseren Wirtschaftssendungen nur gerade 12 Prozent Frauen die Welt erklären. Das hat vieles verändert und bewegt. Man muss etwas messen, bevor man es verändern kann.
Ich hatte einen der interessantesten Jobs der Welt, der mich auf Reportagen bis nach Iran und Nordkorea gebracht hat. Aber leider habe ich auch das ganze negative Spektrum erlebt, das junge Journalistinnen meiner Generation fast alle erlebt haben: Sexismus, Belästigung, Herabwürdigung, sogar Lohnungerechtigkeit um Faktor fünf. Ich musste einen Job innerhalb eines Tages pro Woche erledigen, wohingegen mein männlicher Kollege den gleichen Job fulltime gemacht hat.
Hast du ein persönliches „Mantra“? Oder allgemeiner: was treibt dich an?
Den Mutigen gehört die Welt. Weibliche Biografien sind für mich eine grosse Antriebskraft und Quelle der Inspiration. Ich habe den Schreibmarathon «Mehr Frauen für Wikipedia» mitgegründet. Es geht darum, auch im Internet den GenderContentGap zu schliessen. 82 Prozent der Biografien auf Wikipedia sind männlich. Wenn ich dann aussergewöhnliche Quantenphysikerinnen oder Pflegefachfrauen auf die Plattform schreibe, dann erfüllt mich das mit Freude und Mut.
Mit deinem Engagement, als Gründerin und als Mutter - Wo bleibt da Zeit für dich bzw. was hilft dir für einen Ausgleich?
Ich gehöre noch zur Generation Y oder Generation Golf, das sind wohl noch die Workaholics ;-). Ich bin entweder für die Familie oder die Firma da, Me Time und Selfcare kenne und vermisse ich auch nicht. Ich lebe für alles, was ich tue.
In deiner Rolle bist du ein grosses Vorbild für sehr viele junge Menschen, insbesondere auch Frauen. Was möchtest du diesen mit auf ihren Weg geben – hinsichtlich ihrer Karriere, aber auch im Allgemeinen?
Frage dich, welches Problem dich wirklich umtreibt, allenfalls gar wütend macht. Dann löse es! Mit all deiner Energie und viel Engagement. Für was immer du brennst, erkenne es, und nutze dieses Feuer als Antrieb. Das wird dich weit bringen.