Strong Voices Interview #28: Fränzi Kühne

UNSERE FRAGEN:

Du bist CDO, Unternehmerin, Autorin und Aufsichtsrätin zugleich. Wie kamst du zu diesem sehr beeindruckenden Werdegang? Womit hat alles angefangen?

Wenn ich so eine Auflistung höre bzw. lese, mag es auf den ersten Blick nach der perfekt geplanten Karriere klingen, so war es bei mir tatsächlich nicht. Ich glaube daran, dass ein Leben ein Produkt aus sich schnell wandelnden Umständen ist, wie neuen Technologien, diversen Kultureinflüssen, der Politik, den eigenen Bedürfnissen und sich ergebenden Möglichkeiten. Manche Veränderungen sind radikaler, andere subtiler und so richtig voraussehen kann man nichts und ich glaube, dass der Werdegang kein Zufall, sondern das Wahrnehmen von Chancen ist. Ich schaue mir die Chancen auf meinem Weg genau an, versuche sie für mich zu bewerten und einzuordnen und daraus etwas zu machen. Einen richtigen Plan dahinter gab es nicht. So ist es auch mit meiner Karriere von der semi-erfolgreichen Jurastudentin hin zur Gründerin gewesen, da es mir so viel Spass bereitet hat. Die Sichtbarkeit für digitale Themen, sich darauf einzulassen, ohne zu wissen, was es tatsächlich ist und in eine neue Rolle mit gesundem Glauben an sich selbst reinzuwachsen und Chancen zu nutzen. Ich wollte auf Weltreise gehen, dann kam Corona und ich hatte Zeit, woraus das Buch entstanden ist, um erfolgreichen Männern die Fragen zu stellen, die mir in den letzten Jahren gestellt worden sind. Auch das war eher ein Zufall und wieder ein Thema, das ich mit einer Leidenschaft verfolgt habe. Anderen würde ich raten, ihre Ziele zu haben, aber immer den Blick offen zu halten für neue Möglichkeiten und Chancen. Dabei motiviert mich immer die Kombination aus Menschen um mich herum, die Veränderungen mögen und ein positives Mindset haben und ein Thema, das mich catcht.

2008 hast du TLGG mitgegründet. Wie erinnerst du dich heute an deine Gründungszeit, was waren deine größten Herausforderungen, welches deine stärksten Motivationsfaktoren?

Ich glaube das A und O fürs Gründen ist die Leidenschaft fürs Thema und es nicht für den Status “Gründerin zu werden” zu machen. Ich muss für ein Thema brennen und Leidenschaft haben, gerade beim Gründen und Unternehmertum, was unglaublich anstrengend werden kann. Man muss fleissig sein, viel arbeiten und es hilft, wenn man sich dabei von der Leidenschaft für das Thema treiben lassen kann. Für mich war es hilfreich, Gründungspartner an Board mit zu haben, die mich in meinen Fähigkeiten und Eigenschaften ergänzen und dasselbe Ziel verfolgen. Sich nicht vom Weg abbringen zu lassen ist auch sehr wichtig; die Vision zu haben, wo will man hin und nicht beim ersten Windstoss hinzufallen. Wir sind außerdem gut damit gefahren, uns Mentoren an die Seite zu holen, die wir wirtschaftlich beteiligt haben. Sie haben uns Netzwerke und Kundenzugang erschlossen und neue Sichtweisen reingebracht.

2021 erschien dein Buch, welches zum SPIEGEL-Bestseller wurde. Was hat dich dazu bewegt, dieses Buch zu schreiben? Welche Kernaussage möchtest du deinen Leserinnen und Lesern vermitteln?

Ich bin durch die Aufsichtsratsrolle bei Freenet in eine neue Rolle gekommen, durch die ich viel in der Öffentlichkeit stehe. Anfangs habe ich mich sehr darauf gefreut, endlich auf Themen wie Digitalisierung, Unternehmertum, Diversität aufmerksam zu machen, für dich ich brenne. Journalist*innen haben mir aber immer Fragen gestellt wie “Wird man mit der Frisur ernstgenommen”, “Kannst du die Schuhe wirklich anziehen”, “Wer passt auf deine Kinder auf”, “Warum möchtest du ein Rolemodel für jüngere Frauen sein”. Daraufhin fand ich es interessant das Experiment zu machen, diese frauentypischen Fragen Männern zu stellen. Das war sehr interessant, weil ich dabei interessante Erkenntnisse gewinnen konnte, wie, dass sich Männer ihrer Vorbildrolle oft gar nicht unbedingt bewusst sind. Eine interessante Erkenntnis für mich war, dass die Fragen an sich nicht das Problematische sind, sondern die ungleiche Verteilung dahinter. Die Rollenbilder verfestigen immer wieder, welche Klischees vorhanden sind und es ist frustrierend, das weiterzuverbreiten und diese Rollenbilder zu reproduzieren. Da muss mit Klischees aufgeräumt werden, Männer müssen auch über Frauenthemen reden, das kann man durch unterschiedliche Sachen beeinflussen, wo man bei sich selbst anfangen kann Dinge zu verändern: Nicht mehr auf nicht divers besetzte Veranstaltungen gehen; auch als Mann andere Frauen mit ins Boot holen als Redner z.B., denn es sind kleine Dinge, durch die Veränderung stattfinden kann. Ich wollte mit meinem Buch nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Leichtigkeit auf die aktuelle Genderdebatte aufmerksam machen.

Du engagierst dich für Frauen in Führungspositionen. Was macht in deinen Augen eine gute Führungskraft aus und was waren wertvolle Learnings in Bezug auf deine Führungskompetenz?

Mir ist aufgefallen, dass wir Diversität bei TLGG nie im Fokus hatten, sondern das natürlicherweise passiert ist. Ich glaube, es passiert natürlicherweise, wenn Leute so sozialisiert sind, dass sie nicht auf das Geschlecht, sondern auf Leistung schauen. Wir leben in einer Gesellschaft, in denen wir eine Quote brauchen, die als Krücke dazu dient, dass Frauen in diese Positionen kommen und in Bereiche, die klassisch männlich besetzt sind (wie unsere deutsche Führungslandschaft) und wir leider immer noch diese Werkzeuge brauchen, um diese Kultur ändern zu können. Meine grössten Learnings als Führungskraft sind es, sich selbst zurückzunehmen, zu akzeptieren, dass man nicht mehr der oder die Schlauste im Raum ist und Teams zusammenstellen, die divers besetzt sind, wo Faktoren wie Hierarchie, Geschlecht, Alter, Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund keine Rolle mehr spielen. Das ist im Alltag sehr schwierig, denn dafür braucht man immer Menschen, die in der Lage sind, sich selbst zu verstehen, aber eben auch in der Lage sind, andere Perspektiven zu verstehen und hinter die Kulissen zu blicken. Das bedeutet, dass du sehr reflektierte Leute brauchst, die sich nicht nur selbst reden hören wollen, sondern zuhören und verstehen, welche Charaktere vor einem sitzen. Nur so können sie diese zusammenbringen und gemeinsam an Lösungen arbeiten, was essenziell für eine gute Führungskraft ist.

Gibt es eine bestimmte Botschaft, die du insbesondere an junge Frauen weitergeben möchtest, die einen Unterschied bewirken wollen?

Einen Unterschied machen und Wirksamkeit sind so wichtig. Jeder einzelne kann bei sich selbst anfangen und dieses Rolemodel, was ich in bestimmten Teilen bin, gebe ich auch anderen mit: Sich in ihrer Vorbildfunktion klar sein, Sichtbarkeit suchen, als innovative Führungskraft, als Frau, die für bestimmte Themen steht und da mutig nach vorne zu gehen. Sei ein Vorbild, weil sich viele junge Frauen daran orientieren können und es ihnen zeigt, dass es anders geht, als es ihnen vielleicht von anderen vorgelebt wurde. Wenn man in eine Führungsposition kommt, sollte man sich trauen, Dinge bewusst anders zu machen. Trau dich, verantwortliche Positionen zu übernehmen: Die Schuhe mögen sich zwei Nummern zu gross anfühlen, aber sag trotzdem JA, wenn dir jemand Verantwortung anbietet. Dieses sich Trauen auch grössere Dinge anzugehen, die man sich erstmal nicht zutraut, einfach machen und JA sagen und ins kalte Wasser springen, was nicht wärmer wird, wenn man sich nicht traut reinzuspringen, ist so wichtig. Und sich mit anderen zusammenzuschliessen, beispielsweise als Mentorin, um andere Frauen zu fördern, selbst in die Veränderung reinzugehen und gut darüber zu reden. Rede gut über die Frauen, schliesst euch als Team zusammen und geht gemeinsam neue Wege.